Liebe Leserin, lieber Leser, zu diesem Vorstandsworkshop in Wien im Dezember waren wir wie so oft spontan engagiert worden, weil gerade etwas völlig schief ging. Ein Hilferuf. Der Vorstand hatte zuvor sein gesamtes Management auf schwierige Zeiten eingeschworen, es gab Workshops und Seminare dazu, wie schwierig die Rahmenbedingungen seien, wie bedrohlich der Markt, wie wenig die Digitalisierung bislang fortgeschritten sei. Die ausgefeiltesten Tools wurden eingeführt, um „Agilität“ ganz konkret zu verdeutlichen und die gewünschte Verhaltensänderung dringlich zu machen.
Und was geschah? Nichts. Menschen gingen zur Arbeit, das Management führte wie bisher, an Methoden, Meetings und Meinungen fehlte es nicht, doch große Veränderungen blieben aus. Es war kein aktiver Widerstand, eher … alle spüren „läuft doch“ … sehen, es gibt Erfolge … wissen, mahnende Botschaften, Visionen und Workshops gab es jedes Jahr … keine Ahnung, was der Vorstand erwartet. Negativ-Szenarien und das Einschwören auf schwierige Zeiten führen dazu, dass Menschen nicht hinhören.Sie mögen nicht lesen, was der Vorstand jetzt schon wieder schreibt, von den Anstrengungen, die von ihnen eingefordert werden. Von anderen Menschen Veränderung und größere Anstrengung einzufordern, ist ein destruktives Menetekel. Auch wenn Menschen nicht zynisch sind, ist es ihnen unmöglich, solche Reden ernst zu nehmen. Drohkulissen und ausführliches Erklären der nötigen Verhaltensveränderungen bewirken stets das Gegenteil. Mit diesem Mindset führen Vorstände den Veränderungsprozess an:1. Jedes einzelne Vorstandsmitglied hört auf, das Neue wie ein „Ziel“ zu behandeln. Sie lernen, dem persönlichen Einfluss zu vertrauen – ohne Micromanagement, ohne Bedrohung.
2. Jedes einzelne Vorstandsmitglied lernt die eigenen Kommunikations- und Verhaltensmuster kennen, die im Alltag von allen kopiert werden.
3. Jeder Alltagsimpuls wird verbal in den Veränderungskontext gehoben. „Ich schicke Ihnen dieses E-Mail in Kopie, weil ich unbedingt Ihren Erfolg im Vertrieb auf ein noch höheres Niveau anheben will, und weil ich weiß, Sie können das.“ „Ich habe Frau Professor Example eingeladen, denn Sie werden alles unternehmen, um ihren Forschungsansatz für die für uns entscheidende Vertriebsunterstützung zu nutzen.“
4. Über Veränderungen wird nicht allgemein gesprochen, sondern kommuniziert wird über das leidenschaftliche persönliche Anliegen der Vorstandsmitglieder, das sich auch in ihrem Verhalten zeigt. „Ihr Ansatz gefällt mir deshalb so gut, weil er schon im letzten Jahr zu großen Umsatzsteigerungen geführt hat. Das ist genau das, was ich will und deshalb möchte ich darüber alles im Detail wissen.“ „Beim Thema After Sales brauche ich mehr Sicherheit, weil er in Zukunft extrem wichtig sein wird. Wie können Sie mir hier Sicherheit geben?“
5. Jede Veränderung erfordert Mut, zum Beispiel dem Aufsichtsrat gegenüber. Priorisierung wird konsequent umgesetzt. „Das Budget ist später dran, davon möchte ich Sie entlasten. Den Druck halten wir beide aus. Jetzt zählt Ihr Verkaufserfolg in DACH.“
6. Dieser Lernprozess beginnt gemeinsam im Vorstand und setzt sich dann im Management und in den Teams fort, und zwar ohne große Veranstaltungsmarathons. Durch das Erleben der Vorstände im Kontakt, persönlich, in Telcos, Meetings, E-Mails etc. Es ist der Lernmodus. Wenn er im Vorstand fehlt, ist das Signal: alles wie bisher, nur mit anderen Inhalten.Diese unbewusste Wahrnehmung „nichts Neues“ wirkt wie eine ständige Bremse. Die persönliche Veränderung des Vorstands muss sichtbar sein. Und zwar nicht so, dass neue Tools und Methoden wie Scrum oder Design Thinking oder Kanban oder Großgruppenbeteiligung oder oder oder … eingesetzt werden. Sondern so, dass die Vorstände sich selbst anders fühlen, anders agieren und deshalb ihr Alltag deutlich anders verläuft. Erkennbar anders – in die Richtung, in die es gehen soll.
Erkennbar: Worte müssen anders sein, die persönliche Ansprache, die Fragen, wie der Vorstand agiert, alles muss im neuen Modus passieren. Die persönliche Entwicklung des Vorstandsteams ist das Vorbild. Der gesamte Vorstand ist das Modell für das Neue. Wenn das unbewusst und bewusst wahrgenommen wird, dann wissen alle: Da geht es hin, so wollen wir sein, so machen wir es, in jedem einzelnen Detail. Wenn der Vorstand geschlossen in den neuen Modus wechselt, für den es einen neuen klaren Namen, geradezu ein Brand geben muss, wird deutlich: Wir alle müssen uns in einem weiteren Spektrum beweisen. Wir müssen uns professionalisieren, öffnen für den internationalen Vergleich, für internationale Qualitätsstandards etc. Aha, so geht das also. Wir wollen über unsere Grenzen hinauswachsen. Der Lernmodus entscheidet über den Erfolg von Einzelnen und von Unternehmen. Das ist im Management genauso wie für Beraterinnen und Berater die wichtigste Aufgabe.Wenn der Vorstand nicht lernt, stagniert alles, Erfolge bleiben aus – bis es das Unternehmen nicht mehr gibt.
Das Gehirn liebt Routinen und Gewohnheiten, in Erfolgs- oder Krisenzeiten. Es geht Probleme am liebsten kognitiv an, mit Modellen und Theorien, denn das ist bekanntes Terrain. Es bestätigt sich auch am allerliebsten selbst aus den Erfolgen der Vergangenheit heraus. Und wenn nichts mehr geht, beruhigt es sich mit Arbeiten und Arbeiten, das schmeichelt immer dem Ego „ich habe wirklich alles gegeben“. Deshalb ist es so schwer, die Lernfreude beizubehalten, deshalb wird Lernen so gern delegiert.
Selbst in den Lernmodus kommen, immer wieder dorthin zurückfinden, das ist der Inhalt unserer Vorstandsberatung. So sind Sie Vorbild und bieten Orientierung. Wir sind an Ihrer Seite. Herzlichst, Ihre Dorothea Assig und Dorothee Echter
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